Der Problemkandidat: War vieeel zu teuer zum wegschmeißen und wird außerdem bestimmt noch benötigt.
Doch von vorne: Ein Bekannter hatte seine Rohrkamera verliehen und in folgendem Zustand wieder bekommen:
-
• Sichtfenster der vorderen Abdeckung zerbrochen
-
• Glaslinse vor der Kamera blind
Der Kamerakopf im oberen Bild wird noch an ein Schiebekabel geschraubt. Die Spule mit dem Kabel ist recht unhandlich bei der Reparatur, also: Abschrauben.
Und mit dem Abschrauben fingen die Probleme an: Weil sich die Überwurfmutter nicht lösen lies, wurde mit eher brachialer Gewalt an falscher Stelle geschraubt. Der Artikel könnte also auch in der Rubrik „Zerstören“ stehen, doch erstens war ich es diesmal wirklich nicht und zweitens gebe ich hier nicht so einfach auf.
Die Bilder zeigen das Ende des Schiebekabels mit Überwurfmutter und zersautem Anschluss. Das Gegenstück im Kamerakopf schaut entsprechend unbenutzbar aus. Nun denn, Federkörper runterzerren und Stecker der Länge nach aufschneiden um an eventuelle Kabel ranzukommen.
Die Herausforderung ist also erstmal, den Stecker zu rekonstruieren, damit er zur Buchse des Schiebekabels passt. Aus den Anschlussstiften eines ausgedienten Sub-D-Steckers lässt sich schnell ein passender Einsatz löten:
Dieses Stiftpaket nun zum passgenauen Stecker umfunktionieren? Hier gibt uns die moderne Technik Gießharze, mit denen massive Körper gegossen werden können. Ausgehärtet besitzen sie eine hohe Festigkeit und sind beständig gegen Feuchtigkeit und viele Säuren. Klingt optimal für eine Rohrkamera. Das Problem: Gewinde in der Überwurfmutter! Damit nun zwischen Gießharz und Gewinde keine stoffschlüssige Verbindung zustande kommt, muss ein Formtrennmittel her.
Direkt am Objekt testen war mir bei einem einzigen Versuch zu heikel. Also: Testreihe starten und dabei verschieden behandelte Schrauben eingießen. Ergebnisse:
-
• Motoröl (10W40): riecht doof, Gewindeflanken härten nicht vollständig aus
-
• Kriechöl (WD-40): Schraube lässt sich nicht lösen
-
• Salatöl (Raps): ähnlich wie Kriechöl
-
• Butter: klappt gut, lässt sich mit einem Pinsel gut bis in den letzten Winkel streichen
Und los: Buchse der Schiebeleitung einspannen, aus Papier (einseitig mit Tesafilm beklebt zum besseren Ablösen des Gießlings) eine Gießhülse basteln und los gehts. Aus dem alten Stecker lässt sich zum Glück wenigstens noch die Metallhülse wiederverwenden, die als Zentrierung und Führung dient.
In den Grundkörper habe ich zur Stabilisierung für nachfolgende Schichten zwei Schrauben mit eingegossen. Nach wenigen Minuten ist die Grundschicht ausgehärtet und sieht dann so aus:
Praktisch: Der Nippel (oben am Gießling) dient als Richtungscodierung für den Verpolungsschutz. Durch Abformen der Buchse kriegt man den quasi geschenkt. Würde man den Stecker mit herkömmlichen Verfahren herstellen (Drehen, Fräsen, Gewindeschneiden) wäre der Codiernippel doch ein ganzes Stück aufwändiger!
Nun kann die zweite Schicht aufgegossen werden, die den Stifteinsatz umschließt. Dafür wird die Oberfläche des Grundkörpers mit einem Tapeziermesser eingeritzt (aufrauhen für bessere Haftung) und die eingegossenen Schrauben mit Aceton entfettet (ebenfalls wegen der Haftfähigkeit). Einspannen, Papierhülse als Formverlängerung, Stifteinsatz einsetzen und als Schutz gegen einfließendes Gießharz mit einem Schrumpfschlauch ummanteln:
Das Gewinde unter 40facher Vergrößerung:
Wir kümmern uns nun um die Leiterplatte am Ende des Kamerakopfes. Das kriegen auch wieder Grobmotoriker hin: Einfach Schrumpfschlauch drüber. Der Gummi im Bild ist zurückgestülpt und umschließt normalerweise die Platine. Die Tülle wird anschließend zurückgestülpt und - nach Entfetten mit Aceton - mit Silikon ausgespritzt. Wir wollen ja schließlich eine wasserdichte Rohrkamera haben.
Schrauben sind einfach toll zum Fixieren von Vergussmasse :-) Nun kann der flexible Federkörper wieder aufgesetzt werden (das ist hier mit einem kurzen Satz beschrieben, dauert aber mehrere Minuten und einige Flüche, die dem Teufel die Schamesröte ins Gesicht treiben). Anlöten des rekonstruierten Steckers und Vergießen des Zwischenraumes:
Die Linse! Keine Ahnung durch welche Brühe die Kamera geschoben wurde, gesund kann die aber nicht sein: Bei Vergrößerung zeigten sich richtige Krater im Glas (ja, Glas, kein Kunststoff!) Reinigen mit Spiritus oder Fensterputzmittel kommt also nicht in Frage. Komischerweise zeigt der LED-Ring und die Metallfassung fast keine Korrosion.
Für diesen Problemfall war ich zuerst beim Optiker
(10 - 20€ fürs Schleifen ohne Garantie auf Erfolg) und anschließend im „POF-AC“ - dem Institut für Polymeroptische Fasern an meiner Hochschule. Dankenswerter Weise bekam ich dort zwei kleine Bögen Schleif- oder eher: Polierpapier und ein paar mitleidige Blicke. Genau genommen ist es kein Papier! Die Schleifkörper sind auf einer Kunststofffolie gebunden. Körnung: unterer Mikrometer-Bereich. Weitere Hilfsmittel: Musik/Fernseher, Zeit, Hornhaut sowie als Schleifunterlage eine Gummimatte.
Bei der Vergrößerung der Bilder sieht man einen hellen Ring. Das ist die Reflexion des Beleuchtungsrings der Kaltlichtquelle vom Mikroskop. Die Bilder zeigen die Oberfläche nach verschiedenen Schleifzeiten.
Linse einsetzen, LED-Ring reinigen, fotografieren:
Die Kunststoff-Schutzkappe macht erstmal weniger Probleme. Sie wird in eine Drehbank eingespannt und bei flotter Drehzahl mit Polierpaste poliert.
Nun muss nur noch das herausgebrochene Fenster ersetzt werden. Die Kappe wird dafür umgedreht auf eine absolut glatte und ebenmäßige(!) Unterlage gelegt. Nun wird eine geringe Menge Gießharz eingefüllt, die sich stoffschlüssig mit der Kappe verbindet und so abdichtet. Nach dem Einfüllen sollte die Kappe ein bisschen beschwert werden, damit kein Harz seitlich ausfließt (deswegen muss auch die Unterlage glatt und eben sein). Das Anschleifen einer geraden Auflagefläche (mit dem Polierpapier von oben) ist auch zu empfehlen! Als Gießharz wird hier NICHT das Gleiche verwendet wie für den Stecker. Hier kommt ein „spezielles“ Bastelgießharz zum Einsatz, das länger braucht, um auszuhärten und dünnflüssiger ist. Enthaltene Luftblasen können so entweichen, die Farbe ist außerdem glasklar und nicht hässlich-gilbgelb.